„In der Rückrunde sind wir Zweiter.“ – Warum ein Teamworkshop mehr war als nur ein Experiment

WirWirkt Kaffeepause mit …Reiner Becker, im Ehrenamt Seniorentrainer beim Fußballverein FC Hertha Bonn

Fußballtrainer Reiner Becker und Moderator Jörg Michael - mit einem Teambuilding Workshop zum Erfolg

Ich spreche mit Reiner, weil…

  • er den Mut hatte, in einem Kreisligateam eine ungewöhnliche Maßnahme wie einen Teamworkshop durchzuführen – und damit eindrucksvoll gezeigt hat, was durch gelebten Teamgeist möglich ist.

  • wir seit über zehn Jahren im Verein zusammenarbeiten: er auf der sportlichen Ebene, ich auf der organisatorischen – und wir trotz ganz normaler Differenzen gemeinsam viel in Bewegung gebracht haben.

  • er das Herz am rechten Fleck hat und die besondere Gabe besitzt, mit viel Humor und Leidenschaft Teams aller Altersklassen zu begeistern.

Was ist dein Beruf und was machst du bei Hertha Bonn?

Ich bin ausgebildeter Elektriker und arbeite als Haustechniker bei Engagement Global. Bei Hertha Bonn arbeite ich ehrenamtlich als Seniorentrainer, Sportlicher Leiter und habe bis vor kurzem noch die B-Juniorinnen trainiert.

Was hat dich dazu bewogen, im Rahmen des Wintertrainingslager einen Teamworkshop für deine Mannschaft zu organisieren?

Zu Beginn der Saison 2024/25 sind viele neue Spieler und damit verschiedenste Charaktere zu der Mannschaft gestoßen. Weil wir in der Hinrunde wegen einer Platzsanierung ausschließlich auswärts trainieren und spielen konnten, war es schwierig, ein echtes Teamgefühl zu entwickeln. Deswegen hatte ich in der Winterpause ein Trainingslager für 24 Spieler plus Betreuer organisiert. Ganz klar mit dem Ziel, nicht nur an der sportlichen Entwicklung zu arbeiten, sondern auch dass wir uns untereinander besser kennenlernen und gezielt Teambuilding betreiben. Und dann habe ich dich angesprochen, ob es nicht auch möglich wäre, für eine Kreisligamannschaft einen Teamworkshop im Rahmen des Trainingslagers durchzuführen.

Für eine Amateurmannschaft, die sich nur wenige Stunden in der Woche sieht, ist ein Teamworkshop eher ungewöhnlich. Wie hat denn das Team im Vorfeld reagiert?

Erst einmal verhalten. „Wozu brauchen wir das?“ „Was soll der Quatsch?“, waren typische Reaktionen. Dann haben wir darüber geredet, und ich habe den Spielern erläutert, dass es wichtig für den Teamerfolg ist, seine Mitspieler näher kennenzulernen. Lasst es uns einfach mal ausprobieren, war meine Botschaft an die Mannschaft.

Wie hast du dann die die Atmosphäre und die Dynamik im Team während des Workshops erlebt hatte?

Am Anfang wurde das Ganze nicht ernst genommen oder ein bisschen ins Lächerliche gezogen. Zu Beginn sollten alle einen persönlichen Steckbrief ausfüllen, den kaum einer ernsthaft ausfüllte. Also habe ich sie gebeten, zumindest so zu tun, als ob sie interessiert wären – und siehe da: daraus wurde echtes Interesse. Im Workshop hast du es dann geschafft, dass wirklich jeder mitgemacht und seinen Beitrag geleistet hat. Auch die Stillen haben sich in den verschiedenen Übungen gut eingebracht und Statements gesetzt. Die Dynamik wurde immer positiver – und am Ende hat es allen gefallen.

Wir haben auch über den in der Sportwissenschaft gut untersuchten Zusammenhang gesprochen, dass ein stärkerer Zusammenhalt im Team zu besseren Leistungen führt. Klingt einfach, ist aber doch etwas komplexer. Und beim Teambuilding haben wir uns besonders mit dem Aspekt des Teamgeistes, beschäftigt. Wie gehen wir miteinander um, wie kommunizieren wir, wie schaffen wir Vertrauen untereinander? Mittels des Bullshit Bingos haben wir Sprüche und Ausdrücke auf Papier gebracht, die ihr nicht mehr auf dem Platz hören wollt.  Hat es was gebracht im Umgang untereinander?

Tatsächlich Ja. Die Jungs haben sich in den ersten Wochen immer wieder selber korrigiert und der Umgang hat sich deutlich im Vergleich zur Hinrunde verbessert. In der Rückrunde haben die Spieler mehr Rücksicht auf die anderen genommen, auch wenn es noch den ein oder anderen Rückfall gerade bei Jüngeren und Temperamentvolleren gibt. Das Klima untereinander ist viel besser geworden und die Meisten ziehen an einem Strang. In gewissen Trigger Situationen schauen wir bewusst auf den Workshop zurück. Unser Kaptain, Co-Kaptain und der Mannschaftsrat passen hier auch auf, das die vereinbarten Spielregeln eingehalten werden.

Visualisierte Bullshit Bingo Übung beim Teambuildin

Welche Veränderungen oder Entwicklungen hast du im Team sonst noch nach dem Workshop wahrgenommen?

Das Mindset ist viel positiver geworden. Das Wir-Gefühl ist auf jeden Fall sehr stark herangewachsen und sowohl im Training wie im Spiel ist die Kommunikation eine ganz andere geworden. Und auch an Teamtreffen außerhalb des Trainings beteiligen sich jetzt mehr.

Hat das stärkere Wir-Gefühl denn wirklich zu einer besseren Leistung geführt? Wie spiegelt sich das denn bei euch im Tabellenstand wider?

Die Hinrunde beendeten wir auf Platz Zehn. In der Rückrunde stehen wir auf dem zweiten Platz – ein messbarer Erfolg. Das ist ein klar messbares Ergebnis von dem Trainingslager und dem Teamworkshop. Es hat sich wirklich gelohnt hat.

Zum Abschluss: Würdest du jungen Menschen empfehlen, sich im Ehrenamt zu engagieren? Im Hinblick auf ihre persönlich und berufliche Entwicklung?

Mir hat es wahnsinnig geholfen. Man lernt eine enorme Vielfalt an Perspektiven und Charakteren kennen. Du lernst selber ständig etwas Neues dazu und wie man Konflikte löst. Auch dass es meist nicht die eine Antwort auf ein Problem gibt, sondern man es auf mehrere Arten lösen kann. Ich habe erlebt, wie kraftvoll echte Teamarbeit sein kann. Ohne die Erfahrungen aus dem Ehrenamt wäre bei mir beruflich einiges anders gelaufen.


In der WirWirkt Kaffeepause treffe ich mich mit Frauen und Männern aus meinem Netzwerk, die etwas zu sagen haben. Wir sprechen über Themen rund um Teamentwicklung, Teambuilding, Teamcoaching, Teamworkshops, Führung, Change, Veränderungen in der Arbeitswelt.